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Entschädigung bei unmittelbarer Benachteiligung wegen einer Behinderung

1. Das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX ist keine angemessene Vorkehrung i. S. v. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i i. V. m. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK.

2. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.

Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts

1. Nach Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG haben die Mitgliedstaaten angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Dies bedeutet nach Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um Menschen mit Behinderung u. a. die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten.

2. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i der UN-BRK haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Art. 2 Unterabs. 3 der UN-BRK bestimmt, dass von der „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ alle Formen der Diskriminierung erfasst sind, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Nach Art. 2 Unterabs. 4 der UN-BRK sind „angemessene Vorkehrungen“ notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können.

3. Die Bestimmungen der UN-BRK sind Bestandteil der Unionsrechtsordnung und damit zugleich Bestandteil des – ggf. unionsrechtskonform auszulegenden – deutschen Rechts.

4. Das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX ist keine angemessene Vorkehrung i. S. v. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i i. V. m. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK.

5. Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer auch nicht deshalb eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil er es unterlassen hat, innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ein Präventionsverfahren durchzuführen.

§§ 1, 2 Abs. 4, § 3 Abs. 1, § 6 Abs. 1 und Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 AGG.
§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG.
§ 84 Abs. 1, § 90 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 SGB IX.
Art. 5, 7 Richtlinie 2000/78/EG.
Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4, Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i UN-BRK.

BAG, Urt. v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14 –

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1868-7857.2017.02.08
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1868-7857
Ausgabe / Jahr: 2 / 2017
Veröffentlicht: 2017-01-24
Dokument Entschädigung bei unmittelbarer Benachteiligung wegen einer Behinderung