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Vom Ende des Tauschs
Natur und Gesellschaft im spätmittelalterlichen „Veilchenschwank“

Der Beitrag untersucht den in unterschiedlichen lyrischen und epischen Fassungen überlieferten „Plot“ des sog. spätmittelalterlichen „Veilchenschwanks“ im Kontext gabentheoretischer Parameter. Er sucht zu zeigen, dass Struktur und thematische Anlage der kleinen Form in den verschiedenen Textzeugen im Hinblick auf vormoderne Praktiken des Tauschs entwickelt sind. Dabei wird dargelegt, auf welche Art und Weise die verschiedenen Fassungen des komisch akzentuierten Geschehens besonders die symbolische Ökonomie der höfischen Gesellschaft verhandeln. Die These ist, dass die Erzählung vom Eintritt eines Bauern in einen höfisch codierten Naturraum Möglichkeiten und Grenzen einer höfischen Ordnung diskutiert, die auf dem Prinzip der Reziprozität basiert. Die schmutzige Hinterlassenschaft des Bauern, der seinen Kot auf der Stelle des von Neidhart gefundenen Veilchens platziert, die Substitution des Blümchens durch den Schmutz, deutet im Rahmen eines topisch aufgerufenen frühlingshaften Naturraums, der höfische Freude signifiziert, einerseits auf ein Ende des Tauschs. Andererseits indiziert die Versehrung der Bauern, die die Texte zum Teil explizit als Rachehandlung des höfischen Protagonisten Neidhart für die Tat seines Kontrahenten fassen, zugleich eine Kluft zwischen dem zivilisatorischen Anspruch der imaginierten höfischen Gesellschaft und deren gewalttätigen Verfahrensweisen.

This article examines the “plot” of the so-called late medieval “violet farce”, which is contained in various lyric and epic versions, in the context of the parameters of gift theory. The aim is to show that the structure and thematic arrangement of this small form are developed in the different texts in terms of pre-modern practices of exchange. The article shows the ways in which the various versions of the comically accentuated action portray in particular the symbolic economy of courtly society. The thesis is that the story of a peasant entering a natural space encoded in terms of courtly values examines the possibilities and limitations of a courtly order based on the principle of reciprocity. In the framework of the topos of a natural space in springtime, which signifies courtly pleasure, the filthy legacy of the peasant who defecates on the spot where Neidhart found the violet, the substitution of the flower by the dirt, points on the one hand at the end of the exchange. On the other hand, the injuring of the peasant, which some of the texts explicitly portray as the courtly protagonist Neidhart's revenge for the deed of his opponent, also indicates a gap between the claimed civilizing influence of the imagined courtly society and its violent practices.

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2016.01.02
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1868-7806
Ausgabe / Jahr: 1 / 2016
Veröffentlicht: 2016-04-26
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