Inhalt der Ausgabe 01/2012
Inhalt
Editorial
Der Jahrgang 2012 setzt für die ZfdPh eine deutliche Zäsur, stehen doch in allen von der Zeitschrift abgedeckten und verantworteten germanistischen Bereichen, in der deutschen Sprachwissenschaft und Älteren Germanistik ebenso wie in der Neueren Literaturwissenschaft, Veränderungen in der Herausgeberschaft an.
Aufsätze
Der ‚Vocabularius Sancti Galli‘ ist neben dem ‚Abrogans‘ eine Hauptquelle des ältesten Ahd. und gilt als sprachlicher Zeuge der angelsächsischen Mission des 8. Jahrhunderts. Die vorherrschenden, insbesondere auf der Untersuchung Georg Baeseckes (1933) beruhenden Auffassungen von Herkunft und Sprache des Vocabularius erweisen sich in wesentlichen Punkten als revisionsbedürftig: Anders als die ihm angehängten Auszüge eines alphabetischen Glossars zeigt der Hauptteil des Vocabularius keine nachweisliche Verwandtschaft mit den aus der Schule von Canterbury hervorgegangenen frühaltenglischen Glossaren. Der Sprachstand des Vocabularius ist nicht vornehmlich alemannisch, sondern durch eine fränkisch-oberdeutsche Mischung gekennzeichnet; sie könnte sich aus der Heterogenität der Althochdeutsch- Kenntnisse des angelsächsischen Übersetzers erklären, der sowohl für das Sachglossar als auch für sein Anhänge hinreichend wahrscheinlich gemacht werden kann.
Seit Scherer (MSD 2) unterscheidet man für die Wessobrunner Predigten die drei Sammlungen A, B und C aufgrund ihrer unterschiedlichen Quellen und Thematiken. Steinmeyer untermauerte dies durch subtile paläographische und sprachliche Beobachtungen. Danach zeigen B und C gleiche sprachliche und paläographische Eigentümlichkeiten, mit denen sie sich von A unterscheiden, jedoch so, dass die Schreiber aller Sammlungen auf die gleiche Schreibschule zurückgeführt werden können. Seine Beobachtungen zum Sprachgebrauch führen Steinmeyer zu dem Endergebnis, es habe „in der Tat den Anschein, als hätten die drei Predigtsammlungen aus verschieden Vorlagen mit abweichender Lautbezeichnung geschöpft.“ Dies jedoch – etwas widersprüchlich – ungeachtet seines Vorbehalts, mit dem er nicht behaupten will, „dass jede dieser Gruppen [A, B und C] einstmals eine Sonderexistenz geführt haben müsse.“
Der vorliegende Beitrag ist dem Kodex 1066 der St. Galler Stiftsbibliothek gewidmet, der eine Bearbeitung der Eckhart-Predigt „Misit dominus manum suam“ (Quint 53) überliefert. Man kannte diesen (Re-)Text bislang nur aus der Nürnberger Handschrift Cod. Cent. VI 58, einer Handschrift wohlgemerkt, die sich als die unmittelbare Vorlage für die St. Galler Abschrift erwiesen hat. Aus einem dezidiert materialphilologischen Interesse heraus wird in dieser Studie nach dem kulturellen Kontext gefragt, in dem die Entstehung des St. Galler Kodex 1066 zu sehen ist und in dem das neu identifizierte Re-Skript des genannten Re-Textes der Eckhart-Predigt 53 gelesen wurde.
Diskussion
Die Publikationen von Jan-Dirk Müller zählen zu den besonderen literaturwissenschaftlichen Ereignissen in der germanistischen Mediävistik. Dass sie die Entwicklung des Faches geprägt haben, ist unbestreitbar, weniger deutlich ist indes immer noch die Grundfigur vor allem von Müllers jüngeren Lektüren. Sie müsste strittig sein, denn mit eingeübten Forschungsetiketten lässt sich eine Lektürepraxis gerade dann kaum fassen, wenn sie traditionellen Konzepten zu entgehen sucht. Dies gilt vor allem für Müllers letztes Buch, das er, wohl auch in rückblickender Suche nach den eigenen Interpretationskategorien, „höfische Kompromisse“ genannt hat.
Buchbesprechungen
Die mittelhochdeutschen Brautwerbungserzählungen, besonders „St. Oswald“ und „König Rother“, sind in den letzten Jahren wieder zunehmend Gegenstand der Forschung geworden. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei Fragen nach den Zusammenhängen von Oralität und Schemagebundenheit, wobei aus unterschiedlichen Richtungen versucht wurde, die Vorstellungen einer mündlichkeitsnahen, durch strukturelle Konventionen determinierten und im doppelten Sinne profanen Literatur ‚vor der Literatur‘ kritisch zu reflektieren und neu zu durchdenken.
Bereits vor seiner hier anzuzeigenden Dissertation hat sich Balázs J. Nemes in mehreren interessanten Beiträgen zum „Fließenden Licht der Gottheit“ (FL) geäußert. Als Interessenschwerpunkte zeichneten sich darin Fragen an die Textgeschichte und den Autorstatus Mechthilds ab. In einem Aufsatz aus dem Jahr 2008 (Beihefte zur editio 29, S. 18–34) skizzierte Nemes dann den engen Bezug beider Bereiche, indem er die Bedeutung der Textgeschichte für eine angemessene Beurteilung von Mechthilds Anteil an der Entstehung des FL hinwies.
Der um 1270 entstandene mittelhochdeutsche „Wigamur“ gehört zu den Texten, an denen sich das ganze Dilemma der ‚New Philology‘ mit ihrer ausschließlichen Hinwendung zur handschriftlichen Überlieferung demonstrieren lässt. Ähnlich der Überlieferungslage von Hartmanns „Erec“ ist die unikale Wolfenbütteler Handschrift des „Wigamur“ (Sigle: W) nicht ganz vollständig erhalten und steht in einem etwa 200-jährigen Abstand zur Entstehungszeit. Anders als Hans Ried hat sich jedoch der anonyme Schreiber nicht um eine einheitliche Sprache und Orthografie bemüht, sondern er mischt unreflektiert frühneuhochdeutsche und mittelhochdeutsche Formen.
At the heart of this conscientious, if limited, study lies the makings of a substantial article. Whether the material, which stems from a dissertation (University of Regensburg, 2008) suffices for a book is largely a matter of academic convention and publishing protocols. As all too often, a great deal of space is devoted primarily to the ‘Stand der Forschung,’ of which, in this case, there is great deal of relatively recent vintage: not only Volker Honemann’s commentary accompanying the microfiche facsimile of the two illuminated copies of the work in Toruí, which until the early 1990’s were believed to have been lost in WWII, but also Sabine Jagodzinski’s monograph on all three illuminated manuscript (Stuttgart, 2009).
In dieser Studie, einer Heidelberger Dissertation aus dem Jahre 2007, geht es um vier Frageaspekte (ich systematisiere): 1. um die Beschreibung höfischer Verhaltenskonzepte (zentriert im Begriff hovezuht) im Spätmittelalter, wie sie sich in der Literatur der beiden Höfe Salzburg und Wien im letzten Drittel des 14. Jhs. ausgeprägt haben; 2. um die Erfassung der Unterschiede zu den höfischen Verhaltenskonzepten des 12. und 13. Jhs. (also um das diachron Spezifische, das ‚Neue‘); 3. um den Vergleich der literarischen Hofkultur in Salzburg und Wien (um das synchron ‚Spezifische‘); 4. um die Relation von Literatur und gesellschaftlicher Realität, speziell um die Frage, welche Konzepte der gesellschaftlichen Identität und Selbstversicherung die literarischen Texte für die Menschen am Hofe entworfen haben.
Am 18. März 2005 meldete der deutschsprachige Online-Dienst von Radio Praha:
Um 10 Millionen Kronen ärmer, aber ein unschätzbares Stück Geschichte reicher ist die Tschechische Republik seit Donnerstag. Bei einer Auktion in Paris konnte die tschechische Nationalbibliothek ein kürzlich aufgetauchtes Fragment der so genannten Dalimil-Chronik aus dem 14. Jahrhundert erwerben.
Mit der kommentierten Edition und Übersetzung der 1531 erschienenen „Rerum Germanicarum libri tres“ des oberrheinischen Humanisten Beatus Rhenanus (1485–1547), die auch seine Lebensbeschreibung durch Johannes Sturm (1507–1589) einschließt (S. 12–27), unternimmt Felix Mundt im Rahmen seiner von der Klassischen Philologie initiierten Dissertation (FU Berlin 2007 überarbeitet) den Versuch, für ein im kulturellen Gedächtnis verloren gegangenes, weil fremd gewordenes Werk frühneuzeitlichen humanistischen Geschichtsbewusstseins wieder Leser zu gewinnen.
Die Bedeutung der Kanzleisprachen für die Herausbildung der deutschen Schriftsprache ist zwar seit dem 16. Jahrhundert bekannt, aber hinreichende regionsübergreifende Ergebnisse liegen angesichts der Materialfülle bis heute nicht vor. Der 80. Geburtstag eines Altmeisters der Kanzleisprachenforschung, Zdenêk Masařík (Brno), war deshalb für den Internationalen Arbeitskreis für Kanzleisprachenforschung Anlass, in einer von Kollegen aus Dänemark, Deutschland, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien, Tschechien und den Niederlanden gestalteten Konferenz vom 27. bis 29. März 2008 in Olomouc Teilergebnisse aus laufenden Arbeiten vorzustellen und auf Desiderata hinzuweisen.
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