Inhalt der Ausgabe 04/2012
Inhalt
Aufsätze
Für die Gattungsgeschichte der deutschen Hymne lassen sich zwei Prototypen identifizieren, beide aus der Feder Friedrich Gottlieb Klopstocks: „Die Genesung“ als erste verfasste (1754) und „Dem Allgegenwärtigen“ als erste veröffentlichte Hymne (1758). Die Gedichte reagieren auf unterschiedliche Problemsituationen: „Die Genesung“ auf das Problem, wie man gleichzeitig ursprünglich und unmittelbar-innovativ dichten, „Dem Allgegenwärtigen“ auf das Problem, wie man adäquat über religiös-metaphysische Gegenstände sprechen kann.
Mit der Autonomisierung der Künste wird gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch die ‚Darstellung‘ als ästhetischer Begriff etabliert. Am Beispiel von Goethes „Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären“ zeigt der Beitrag, dass auch wissenschaftliche Texte der Zeit ‚darstellen‘, um wissenschaftliches ‚Nicht-Wissen‘ vom Leben der Natur durch ästhetisches Wissen zu ersetzen.
Die nachstehende Analyse des „Woyzeck“-Beginns in den verschiedenen Entwürfen, die minutiöse Lektüre der ersten und letzten Szenen der Handschrift H4 möchte erstens nochmals auf die ‚geschlossene‘ Struktur des Dramenfragments hinweisen sowie zweitens zeigen, dass H4 mit der ‚Testamentsszene‘ H4,17 eine veritable Schlussszene bietet, die eine Fortsetzung des spätesten Entwurfs durch Material aus dem ‚Mord-Komplex‘ (H1, 14-21) unwahrscheinlich macht. Das Textmaterial – so die These – zwingt dazu, eine Vollendung des „Woyzeck“ ohne abschließende Morddarstellung zu erwägen.
Martin Heidegger beschränkt sich in seinem Seminar im Wintersemester 1936/37 über Schillers Briefe „Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen“ erstaunlicherweise auf die Briefe 19 bis 22, die sich primär mit dem „ästhetischen Zustand“ befassen, und betrachtet eben nicht etwa den elften Brief, der bereits in einer Art Stenogramm Konzepte von „Sein und Zeit“ enthält. Der folgende Artikel analysiert kritisch die Gedankengänge und Interpretationsversuche Heideggers und dessen Grundsatzkritik an Schillers angeblichem „Vernunftstandpunkt“. Heideggers Auslegung der Briefe trägt wenig zu der Einsicht in die grundlegenden zeitgeschichtlichen, kulturellen und ästhetischen Fragestellungen bei, die dort ebenso vielseitig wie kenntnisreich behandelt werden.
Der Beitrag führt den Begriff ‚Ambiguität‘ zur Beschreibung der Gleichzeitigkeit von Referentialität und Fiktionalität in Günter Grass’ Autobiographie „Beim Häuten der Zwiebel“ ein und zeigt, wie ein der Gattung eignender Faktizitätsanspruch, der in der Debatte um Günter Grass’ Mitgliedschaft in der Waffen-SS emphatisch als Wahrheitsforderung formuliert wurde, durch die ambige Darstellung der autobiographischen Erinnerung unterlaufen wird.
Buchbesprechungen
Was soll man sich unter einem so unbestimmten Titel wie „Bibel und Literatur um 1800“ vorstellen, wenn der Untertitel fehlt, mit dem ein Verfasser sein Thema gewöhnlich spezifiziert und konkretisiert? Geht es um Bibeldichtungen? Um die Ursprünge moderner Textkritik? Um die Revolutionierung der Hermeneutik am Leitfaden der Auslegung des Neuen Testaments? Um die Kunstreligion der Romantiker? Um die Poesie des Alten Testaments?
Unter den Publikationen zum Schillerjahr 2009 stellt das Buch von Walter Hinderer eine angelegentlich persönliche, besondere Geburtstagsgabe dar. Hinderer, seit Jahrzehnten einer der renommiertesten Schillerforscher, hat zu Schillers 250. Geburtstag eine Würdigung des Dichters vorgelegt, die zumal die Aktualität des Weimarer Klassikers anhand verschiedener Themenkomplexe – der „Metamorphosen“ und der „kreativen Aneignungen“ – in den Blick nimmt.
Zwischen 1880 und 1900 herrschen – einerseits – literaturgeschichtlich unordentliche Verhältnisse. Die späten Werke der großen ,Realisten‘ (geboren um 1820) entstehen in den 80er Jahren und noch bis in die 90er Jahre hinein; zu Beginn der 80er Jahre begehrt eine junge Generation (geboren um 1860) mit einem realistischen ,Naturalismus‘ auf, der aber bereits 1891 schon wieder ,überwunden‘ wird, obgleich seine zentralen Texte bis in die Mitte der 90er Jahre geschrieben werden.
Im Jahr 1904 fand im Krefelder Kaiser Wilhelm Museum die Ausstellung „Linie und Form“ statt. Die heterogenen Exponate aus Natur, Kunst und Technik sollten ungeachtet ihrer Herkunft, thematischen Verschiedenheit und Unterschiedlichkeit in Material, Medium und Gattung ein formalästhetisches Prinzip veranschaulichen.
Das Erscheinen dieser Arbeit, in der die Tagebücher von Robert Musil als integrativer Bestandteil seines Œuvre gelesen werden, fällt zusammen mit der lange erwarteten digitalen Edition des Musil’schen Gesamtwerks.
Souverän ist, wer „letztinstanzlich“ entscheidet, so das geläufige Begriffsverständnis. Mit Jean Bodin verengt sich im 16. Jahrhundert der bis dahin sehr weite Begriff, wird er doch fortan in der politischen Theorie für diejenige Instanz reserviert, die die öffentliche Gewalt und insbesondere die der Gesetzgebung inne hat.
Peter Risthaus’ „Onto-Topologie. Zur Entäußerung des unverfügbaren Ortes von Martin Heidegger zu Jacques Derrida und jenseits“ ist ein glänzend recherchiertes und äußerst lehrreiches Buch.
Wehe dem, der heute nicht vernetzt ist! Parallel zum gegenwärtigen Vernetzungsimperativ, dessen Kehrseite diese Drohung ist, lautet die Devise im social web: Gewinne Freunde! Eine solche Verquickung von Freundschaft und Netzwerk ist beidseits irritierend, bedeutet doch nach alteuropäischer Tradition der Besitz vieler Freunde (Polyphilie) zugleich den Verzicht auf wahre Freundschaft.
Der Forschung zu Brinkmann fehlt nach wie vor die entscheidende Schubkraft. In der Regel erscheinen seit langem, abgesehen von den obligatorischen Dissertationen und einigen bedeutenden Aufsätzen, nur zu den Jubiläen Arbeiten in größerer Zahl.
Das von Kai Bremer herausgegebene Moritz-Rinke-Arbeitsbuch ist der erste Band der – ebenfalls von Bremer herausgegebenen – Reihe „Literarisches Leben heute“. Die Beweggründe einer umfassenden Auseinandersetzung mit Moritz Rinke, die dem Titel der Reihe entsprechend über die theoretische hinausgeht, legt der Herausgeber in seinem Vorwort wie folgt dar.
Die „sonderbare Mischung von Anschauen und Abstraktionen“, die laut Goethe in Schillers Natur liege, kennzeichnet nicht nur seine Dichtung, sondern zugleich den Stil seiner philosophischen Abhandlungen, die sich keineswegs in der Deduktion der Begriffe und im Systemaufbau erschöpfen.
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