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Zeitschriftenpublikation als ästhetisches Versuchsfeld oder: Ist Kleists „Verlobung“ eine Mestize?

Kleists „Verlobung“ ist ein Zeitschriftentext, erschienen im Journal „Der Freimüthige. Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser“ vom 25. März bis zum 5. April 1811. Damit macht die hier gebotene Lektüre Ernst, die die Wahrnehmung von Schwarz, Weiß und in ihren Mischungsverhältnissen undurchsichtigen Zwischentönen in konsequent zeitgenössischem Diskurshorizont zu rekonstruieren sucht. Dabei werden der Blick „des Fremden“ im Jahr 1803, jener wenigstens partiell dem Rezipienten als Perspektivinstanz angebotenen Figur namens Gustav/August, und der Blick des zeitgenössischen Lesers im Jahr 1811 parallel und enggeführt: im als Crux sich erweisenden Rätselwort von der „Mestize, Namens Toni“ einerseits, dem Reizwort vom „gelben Fieber“ andererseits. Kleists „Verlobung“, so schlägt der Aufsatz vor, diesen Text zu verstehen, veranstaltet im dominant auf Referentialität ausgerichteten Milieu des „Freimüthigen“ ein ästhetisches Experiment auf die Realität, auf das in die Wirklichkeit Eingreifende von Literatur; ein Experiment, das nur in diesem spezifischen publizistischen Milieu aufgehen kann und, falls der Rezipient sich darauf einläßt, den Text nicht auf Schwarz oder Weiß, fiktional oder referentiell festzulegen, diesen Text in einer Performanz des Zwischen selbst zur Mestize werden läßt.

Kleist’s “Verlobung” is a newspaper text which appeared in the journal “Der Freimüthige. Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser” between March 25 and April 5 1811. The reading offered below takes this condition quite literally as it systematically reconstructs the perception of black and white as well as their various non-transparent shades against the background of contemporary discourses. The view of ‘the stranger’ in 1803, the perspective offered by the figure of Gustav/August and the view of the contemporary reader of the year 1811 are brought in line. They coincide in the riddled notation of a “Mestize, Namens Toni” and in the catchword of the “gelbes Fieber”. The article suggests that Kleist’s “Verlobung” amounts to an aesthetic experiment or test of reality in the milieu of the “Freimüthigen” which privileged reference. This experiment can only be carried out in the specific journalistic context and succeeds only if the recipient will not reduce the text to the alternative of black or white either in terms of fiction or of reference because only then does the text itself turn into Mestize as it performs something in between.

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2011.04.06
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1868-7806
Ausgabe / Jahr: 4 / 2011
Veröffentlicht: 2012-01-11
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